Brezlav - Hainburg in 46 Stunden

Alles begann mit der Idee, dass mein Freund Simon und ich eine Woche in den Sommerferien etwas unternehmen wollten. Zu lang reisen wollten wir nicht, nur faulenzen auch nicht und da ich Zugang zu leichten Kanus hatte, war die Entscheidung nicht schwer. Wir entschieden uns für eine 3-tägige Flusswanderung die March hinunter, bis sie in die Donau mündet. Am Tag vor der Abfahrt trafen wir uns und kauften alles Nötige ein: Dreimal schnell kochbares Mittagessen, Brot und alles, womit man es belegen kann und natürlich viele Süßigkeiten. Das Packen war dann schon eine Herausforderung, da das Zelt, Schlafsäcke, Verpflegung und Gewand und um nicht zu vergessen das Boot mit allem Zubehör in 2 Rucksäcke passen mussten. Mit viel probieren, pressen und drücken konnten wir alles glücklich verstauen.

 

 

 

Am nächsten Tag ging es um halb 8 los. Von Favoriten fuhren wir mit insgesamt 70kg Gepäck auf den Schultern mit den Öffis durch die Stadt zum Bahnhof. Von dort aus ging es weiter nach Norden. Ursprünglich hatten wir geplant, im Bernhardtstal auszusteigen und die 10km zur March zu Fuß zurückzulegen. Das Gewicht der Rucksäcke und der Gedanke, dass wir bald 30 weitere Kilos Wasser schleppen würden, ließ uns aber weiter nach Brezlav fahren, wo wir nur 2km von der Thaya entfernt waren, die nach etwa 30km in die March münden würde.

 

 

 Mit über 90kg machten wir uns dann Vorort auf die Suche nach einem langen Fluss. Zum Glück hatten wir die Thaya zuvor im Zug gesehen, weshalb wir einfach nur neben den Gleisen hergingen, bis wir die Brücke fanden. Schnell das Boot aufpumpen, ein kleiner Snack  und alles gut verstauen und schon waren wir im Wasser.

 

 

Am Anfang war die Thaya noch sehr breit und seicht, weshalb wir manchmal mitten im Fluss aussteigen mussten, da wir so viel zusätzliches Gewicht mithatten. Trotzdem waren wir von der Umgebung begeistert.

 

 

Auf den Ufern fanden wir immer wieder kleine Bunker als Relikte aus der Sowjetzeit. Wir fuhren ein paar Stunden und das Ufer veränderte sich von Wiese und Dörfern zu Wald und Büschen. Auf einer kleinen Insel machten wir halt, aßen etwas und warfen uns ins kühle Nass der Thaya. Kühl ist vielleicht etwas untertrieben. Unverzüglich machten wir uns auf den Weg, denn wir standen vor einem kleinen Problem: Wir wussten zwar, dass wir um spätestens 7 Halt machten mussten, ohne aber zu wissen, wo wir gerade waren. Nach viel zu langer Zeit (in unseren Augen) und viel zu vielen nicht eingezeichneten Kurven trafen wir endlich einen österreichischen Fischer an der tschechisch-österreichischen Grenze.

 

 

 Beruhigt fuhren wir bis um halb sieben weiter und suchten uns auf der Höhe von Rabensburg einen Sandstrand um unser Lager aufzuschlagen.

 

Wir begannen sofort und schnell das Zelt aufzubauen, da wir wussten, dass in der Dämmerung die Gelsen überfallen würden, es waren ja schon genug aktiv. Danach kochten wir uns Nudel und aßen als Nachspeise Marshmallows über dem Lagerfeuer. Zu dieser Zeit waren die Gelsen eine solche Plage, dass wir mit einem Kopfnetz, Pulli, langer Hose und Socken dasaßen um nicht am lebendigen Leibe gefressen zu werden. Ungefähr um 10 flüchteten wir dann ins Zelt.

 

 

Am nächsten Tag brachen wir um 10 auf um unseren beklommenen Gliedern ein bisschen Leben einzuhauchen. Am Vormittag machten wir noch einen schnellen Sprung ins Wasser, doch wir wussten, wir müssten heute viele Kilometer schaffen, da wir nur einen Bruchteil der geplanten Strecke bisher gefahren waren, da wir 30 Kilometer von Tschechien angehängt hatten. Deshalb fuhren wir nur so dahin, an Hohenau vorbei, mündeten mit der Thaya in die March und genossen die schöne, friedliche Natur.

 

 

 Da wir viel langsamer vorrankamen, als wir geschätzt hatten, machten wir Witze, dass wir die Nacht durchfahren müssten, um unser Ziel noch erreichen zu können. Nach einigen Ess- und Schwimmpausen begann dieser Plan langsam ernst zu werden. Vor allem die Gelsen trugen ihren Teil dabei, da sie am Ufer zu Millionen zu finden waren, am Wasser aber nicht auftauchten. Als wir erst sehr spät nach Angern kamen, unserem Mindestziel für den Tag, war unsere Entscheidung getroffen. Wir aßen, tranken und putzten unsere Zähne im Boot und nach einer halben Stunde dösen begann unsere Nachtschicht im Boot.

Wir hatten um 9 noch viele Energiereserven, weshalb wir die folgenden 2-3 Stunden ohne Pause durchpaddelten. Zum Glück hatte Simon Lautsprecher mitgenommen, wodurch wir als wassertaugliche Musikanlage durch die dunkle Nacht glitten. Bis um 12 waren mehr Insekten als Sauerstoff in der Luft, denn wir mussten den Mund immer geschlossen halten, damit wir nicht ungewollt ein paar Proteine mehr im Magen hatten. Um 12 war dann die Musik aus und wir paddelten einträchtig an schlafenden Orten und wunderschönen Nationalparks vorbei. Zwischendurch machten wir immer wieder 20-30 min Pausen um unsere Arme auszuruhen, wobei der Steuermann immer schauen musste, dass wir nicht in eine Angelschnur der vielen slowakischen Nachtfischer zu fahren, die sich in der Nähe der slowakischen Orte aufreiten. Als langsam die Sonne aufging waren wir kurz vor dem Ende unserer Kräfte. Nur noch 15km bis die March in die Donau mündet!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit neuer Energie paddelten wir den Rest zur Donau und landeten an einem wunderschönen Sandstrand. Es war 5 Uhr. Sehr müde und mit stark schmerzenden Armen warteten wir auf den Sonnenaufgang und kochten uns etwas Warmes um die Müdigkeit zu vertreiben. Auf der Karte sah es so aus, dass wir nur ungefähr 2 km die Donau hochpaddeln müssten um nach Hainburg zu kommen, aber in unserer angeschlagenen Verfassung und bei der Strömung war das unmöglich. Wir setzten erst einmal über die Donau, was meine letzten Reserven in den Armen aufbrauchte. Dann standen wir vor einer Entscheidung: Entweder zusammenpacken, sich ins Unterholz zu schlagen und einen Trampelpfad suchen oder die 70kg im Boot lassen und es am Ufer  zu treideln (= hochziehen). Das war eine mühsame Arbeit die alles abverlangte, vor allem als die flachen Strände sich in aufgeschüttete Backsteine verwandelten, die dort als Hochwasserschutz angelegt wurden. Letztendlich fanden wir einen Trampelpfad am Ufer und packten zusammen, mit Hainburg sichtbar in der Ferne. Völlig am Ende marschierten wir die letzten 2 km der, wie es sich herausstellte, 6 km und kamen nach 6 Stunden endlich an. Nach 18 Stunden Paddeln und weiteren 6 Stunden Schwerstarbeit waren wir 24 Stunden körperlich höchstaktiv gewesen, doch uns durchströmte das stolze Gefühl, statt in 3 Tagen in weniger als 2 vollen Tagen über 120km zurückgelegt zu haben.

 

Als ich nach der halbdurchschlafenen Heimreise nach Hause kam, zählte ich trotz Gelsenschutzmittel 116 Gelsendippel  und ließ mich danach ins Bett fallen. Ich sollte erst 20 Stunden später mit schrecklichem Muskelkater erwachen…

 

 

 

 

 

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